Medikamente + Lebensmittel - Wechselwirkungen. Karen Nieber

 

Auch diese Seite ist im Entwurfsstadium. Ergänzungen sind geplant, z.B. die Erläuterung einiger Begriffe - vielleicht durch Sie, lieber Gast auf dieser Homepage? Als Dankeschön für die kostenlosen Informationen, die Sie hier finden?

 


 

 

Herzlichen Dank an Frau Prof. Dr. Karen Nieber,
Institut für Pharmazie Universität Leipzig für
die freundliche und prompte Genehmigung zum
Nachdruck von Texten. Grafische Hervorhebungen
entsprechen nicht dem Original. F.M.

 





 


"Die Gefahr von Wechselwirkungen zwischen Lebensmitteln und bestimmten Medikamenten ist tatsächlich bekannt. Nach Angaben des deutschen Apothekerverbandes reagieren mehr als 315 Arzneistoffe auf Lebensmittel. Diese Substanzen stecken in über 5.000 gängigen Arzneimitteln. Generell gilt, dass unerwünschte Wirkungen durch diese Interaktion erst auftreten, wenn größere Mengen der betroffenen Lebensmittel verzehrt werden.

 

Wechselwirkungen zwischen Arznei- und Nahrungsmitteln können sehr unterschiedlich sein. Das Arzneimittel kann in seiner Wirkung ganz oder teilweise vermindert sein, es kann aber auch zu einer Wirkungsverstärkung kommen. Damit verstärken sich auch die Risiken und Nebenwirkungen. Auch das Ausmaß der Nebenwirkungen ist ganz verschieden. Es reicht von lebensgefährlich bis hin zu vernachlässigbar".

 

"Zuerst zu Nahrungsmittel und Schmerzmittel.

 

Bekannt ist eine Interaktion zwischen nichtopioiden Schmerzmitteln wie Acetylsalicylsäure, also Aspirin, oder Paracetamol mit Müsli oder Vollkornbrot. Ballaststoffe aus Vollkornprodukten können einen Teil der Arzneimittel binden. Das verzögert die Resorption und damit die Zeit bis zum Einsetzen der Schmerzlinderung. Auch die Wirkung kann abgeschwächt werden. Deshalb sollten nach Einnahme von nichtopioiden Schmerzmitteln ca. 2 Stunden vergehen, bevor ein Müsliriegel verzehrt wird.

Eine weitere bekannte Interaktion betrifft Zitrusfrüchte. Die in der Zitrusfrucht enthaltenen Flavonoide hemmen das körpereigene Enzym CYP3A4. CYP3A4 ist die am stärksten exprimierte Isoform des CYP 450-Systems in der Leber und im Intestinaltrakt. CYP3A4 ist am oxidativen Metabolismus einer Vielzahl von Medikamenten, endogenen Steroiden und Xenobiotika beteiligt. Interaktionen betreffen Methadon oder Morphin. Die Schmerzmittel wirken bis zu 30 % stärker oder länger als vorgesehen. Schmerzmittel sollten generell nicht mit Zitrusfrüchten oder Saft aus diesen Früchten zusammen eingenommen werden. Es kann zu Herzrhythmusstörungen kommen.

 

Die gleichzeitige Einnahme des Opioid-Analgetikum Tramadol und L-Tryptophan-haltigen Lebensmitteln (mg/100g. Hähnchenbrustfilet 260, Cashew-Kerne 287, Erbsen 275 , Kakaopulver 293) kann zu schweren Nebenwirkungen führen. Bei Patienten, die aufgrund starker Schmerzen Tramadol einnehmen, kann die Aufnahme von 1 g L-Tryptophan auch im Abstand von mehreren Stunden zu einem Serotonin-Syndrom führen. Das Serotonin-Syndrom ist in der Regel die Folge einer stark erhöhten Serotoninaktivität. Charakteristisch sind autonome, neuromotorische und kognitive Störungen sowie Verhaltensveränderungen wie Ruhelosigkeit, rasche unwillkürliche Muskelzuckungen, gesteigerte Reflexbereitschaft, Schwitzen, Schüttelfrost und Tremor. In vielen Fällen bilden sich diese Symptome innerhalb von wenigen Stunden wieder vollständig zurück.

 

Literatur:
Houlihan, DJ. Serotonin Syndrome Resulting from Coadministration of Tramadol, Venlafaxine, and Mirtazapine.Annals of Pharmacotherapy 2009;38 (3):411-413 


Nun zu Nahrungsmittel und Psychopharmaka.

 

Käse, Bohnen, Salami, Salzheringe, Sauerkraut, Rotwein sind tyraminhaltige Nahrungsmittel. Tyramin steigert den Blutdruck. Es wird normalerweise durch ein körpereigenes Enzym, die Monoaminioxydase abgebaut. Monoaminoxidase-Hemmer  mit dem Wirkstoff Tranylcypromin werden zur Behandlung bestimmter Formen der Depression eingesetzt. Sie blockieren dieses Enzym, so dass sich Tyramin im Körper anreichert. Mögliche Folgeerscheinungen sind erhöhter Blutdruck, Kopfschmerzen und schlimmstenfalls Hirnblutungen (Cheese-Effekt). Wer mit Tranylcypromin behandelt wird, muss eine Diät einhalten, die tyraminhaltige Nahrungsmittel konsequent ausschließt. Auch auf Bananen und Ananas, Muskatnuss, Feigen, Rosinen, Joghurt, Soja-Soße und Sauerkraut sollte verzichtet werden.

 

Es ist bekannt, dass bestimmte Früchte Einfluss auf den Serotonin-Stoffwechsel haben. Aktuelle Untersuchungen dokumentieren, dass Darmbakterien in der Lage sind aus Chinasäure Tryptophan zu bilden und in das Darmlumen zu sezernieren (Pero et al. 2009, 2010). Die Daten deuten darauf hin, dass es nach dem Genuss von Früchten mit einem hohen Gehalt an Chinasäure wie z. B. Waldheidelbeeren, Kiwi, Cranberry, Preiselbeeren, Pflaumen, Äpfel und Pfirsiche im Gastrointestinaltrakt zu einer vermehrten Bildung von Tryptophan kommt (Pero et al. 2009, 2010).Es ist demnach wahrscheinlich, dass Darmbakterien mindestens so viel Tryptophan bereit stellen können, wie sonst nur als Folge einer hochdosierten Tryptophangabe (> 5 g/Tag) zur Verfügung steht. Da Tryptophan Ausgangsprodukt für die Synthese von Serotonin ist, sollten Patienten die mit den selektiven Serotoninaufnahmehemmern (Antidepressiva wie Fluoxetin, Paroxetin, Citralopram, Escitraloprm, Sertalin) behandelt werden, diese Früchte nur in geringen Mengen oder gar nicht verzehren.

 

Literatur:
1. Pero RW. Health consequences of catabolic synthesis of hippuric acid in humans. Curr Clin Pharmacol. 2010 Feb;5(1):67-73. Review.

2. Pero RW, Lund H, Leanderson T Antioxidant metabolism induced by quinic acid. Increased urinary excretion of tryptophan and nicotinamide. Phytother Res. 2009 Mar;23(3):335-46.


Ganz verzichten sollte man bei der Einnahme von Medikamenten auf Grapefruitsaft, auch wenn einige der Symptome eher selten sind. Die in ihm enthaltenen Flavonoide, verstärken die Wirkung zahlreicher Medikamente um. Dies gilt auch für Bitterorangen, die in manchen Orangenkonfitüren und -marmeladen enthalten sind. Zusammen mit Schlafmitteln kann es zu rauschartigen Symptomen kommen."